Heigenbrücken im Spessart

Wo liegt Heigenbrücken?

Heigenbrücken liegt im Spessart, genauer gesagt im sogenannten Glashüttenspessart. Das ist ein Bereich im Nordosten des Spessart, in dem die Ortschaften auf mittelalterliche Glashütten zurückgehen. Allerdings war es nicht eine Glashütte, die über lange Zeit in Heigenbrücken arbeitete. Vielmehr wurden damals die Glashütten nach einigen Jahren immer wieder verlegt, wenn in ihrer Umgebung die Holzvorräte aufgebraucht wurden. So hat es auch um Heigenbrücken mehrere Standorte gegeben, die nacheinander in Betrieb waren. Die Hütteneigentümer und ihre Mitarbeiter wohnten dann in einem Dorf in der Nähe, hier also Heigenbrücken.

Glashütten waren im Mittelalter kapitalintensive und umsatzstarke Betriebe mit gut bezahlten Facharbeitern. Glaswaren waren gesucht und wurden für gutes Geld bis in die Niederlande verkauft.l Heigenbrücken war damals kein armer Ort.

Ab dem 18. Jhd. kam es dann für Heigenbrücken knüppeldick:

Nachdem die Landesherrschaft eigene Glashütten (Lohr, Rechtenbach, Einsiedel ..) betrieb, verbot sie private Glashütten. Eine wichtige Einkommensquelle verschwand also. Heigenbrücken war auf Land- und Forstwirtschaft angewiesen. Nur: für Landwirtschaft war (und ist) der Spessart wegen der schlechten Böden und der steilen Lagen denkbar ungeeignet. Die Bewohner durften zwar ihr Vieh in den Wald treiben. Außerdem durften sie Laub entnehmen als Einstreu. Was sie zwar nicht durften, aber trotzdem machten, war Laub zu sammeln und zu verbrennen. Die Asche diente zum Düngen der Felder. Nicht durch den Holzbedarf der Glashütten, sondern durch diese Nutzung gingen die Wälder im Umkreis der Glashüttenorte zugrunde.

Dazu kam eine stark wachsende Bevölkerung („53 Enckelein“ s. u.) und die Auswirkungen der Realteilung. Der Einzelne hatte immer weniger Landwirtschaftsfläche. Es entstand die vielzitierte „Not im Spessart“.

Beispiel für Not im Spessart aus Weibersbrunn (R. Virchow 1852)

In einer anderen, benachbarten Hütte, fast der elendesten, die wir überhaupt auf der Reise gesehen haben, wohnte Marianne verw . Roth, 42 Jahre alt, Mutter von 8 Kindern, von denen 6 am Leben sind. Die eine Tochter Theocadia, 14 J. alt, welche wir sahen, war gesund, ziemlich wohlgenährt und nur von zahllosen Flohstichen um die epigastrische Gegend bedeckt. Ein kleiner Bub von 5 Jahren, Martin, dagegen bot ein Bild der höchsten Atrophie: zwerghafter Wuchs mit grossem, eckigem Kopfe und aufgetriebener Hängebauch bei enormer Leberhypertrophie, sehr magerem Körper, kreideblass, aber von Flohstichen übersäet; die Zunge frei. Die Mutter lag in einem schmutzigen , höchst widerwärtigen Bett, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war und in dem selbst das Stroh schon ein ganz schwärzliches Aussehen angenommen hatte. ( Die Kinder lagen auf etwas Stroh am Fussboden, indem sie sich mit einer alten Jacke zudeckten. Möbel gab es in der Stube nicht.) Wenn man das Deckbett aufhob, sprangen die Flöhe so dicht umher, dass man im ersten Augenblick nur die Wahrnehmung des Flimmerns vor den Augen hatte. Die Frau gab an, vor 8 Tagen unter Frost mit wiederholtem Schütteln erkrankt zu sein …. .

Die Wende kam mit der Eisenbahn

Mitte des 19. Jhds gab es für Heigenbrücken eine Wende: Die Ludwigs-West-Bahn wurde gebaut und führte unmittelbar an dem Dorf Heigenbrücken vorbei. Unmittelbar vor dem Bahnhof endete der Schwarzkopftunnel. Auf einmal gab es wieder Arbeitsmöglichkeiten: Zuerst beim Bau der Bahn und des Tunnels. Dann konnte Holz und behauene Steine mit der Eisenbahn abtransportiert werden. Die Aktivitäten waren so bedeutend, dass schon 1890 ein neues, größeres Bahnhofsgebäude errichtet wurde. Schließlich war auch das Pendeln nach Aschaffenburg, Lohr oder sogar Frankfurt möglich.

Die Fremden kommen

Später kamen die Fremden und Heigenbrücken wurde zum führenden Erholungsort im Spessart mit dem Prädikat Luftkurort. In den 1960er Jahren sollen ganze Sonderzüge mit Sommerfrischlern aus dem Ruhrgebiet gekommen sein. Für die Fremden wurde kräftig investiert: ein Schwimmbad, der Kurpark und für Familien ein Tierpark. Seit einigen Jahren gibt es auch einen Klettergarten.

Veränderungen in Heigenbrücken

Heute steht Heigenbrücken wieder an einer Wende. Die Bahnstrecke wurde neu gebaut. Es gibt jetzt keinen Bahnhof mehr, sondern nur noch einen Bahnhalt. Steinbrüche sind geschlossen und Holz wird gleich aus dem Wald mit LKW abtransportiert. Die Gedenktafel (Bilder unten) hängt an einem massiven Gesteinsbrocken. Dieser stammt aus dem neu gebauten Falkenberg-Tunnel. Es handelt sich um das Gestein, das nach Expertenmeinung für ein Atommüll-Endlager geeignet wäre.

Das weitläufige Bahnhofsgelände ist inzwischen stillgelegt und an die Gemeinde Heigenbrücken verkauft. In einem anderen Beitrag habe ich darüber spekuliert, ob auf dem Gelände ein Atommüll-Endlager errichtet werden könnte.

Der Schwarzkopftunnel ist inzwischen verfüllt und verschlossen. Die Öffnungen sollen Fledermäusen den Zugang zu ihrem Winterquartier ermöglichen. Nach wie vor bewacht ein Löwenkopf den Eingang.

Die Natur beginnt sich den Tunneleingang zurückzuerobern.

Die Bezeichnung Luftkurort gibt es für Heigenbrücken nicht mehr. Auch mit dem Gastgewerbe ging es bergab: die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt nur noch 2,5 Tage statt früher 2 Wochen. Und wie überall können sich die kleinen Bäcker-, Metzger- oder Lebensläden nicht mehr halten. Sie stehen leer.

Trotzdem hat Heigenbrücken auch heute noch mehr Gasthäuser als vergleichbar große andere Orte. Und ein Schwimmbad, einen Kurpark, einen Tierpark und einen Klettergarten (Bilder siehe oben).

Jakobsthal

Jakobsthal ist ein Ortsteil von Heigenbrücken. Genauso wie Heigenbrücken geht Jakobsthal auf eine Glashütte zurück. Gründer und Betreiber war Jakob Fleckenstein. Im Jahr 1676 bat er den Landesherren, den Mainzer Erzbischof, um Land für sich, seine Kinder und seine „53 Enckelein“. Sein Bruder Heinrich Fleckenstein ist auf dieselbe Weise für Heinrichsthal verantwortlich. Eigentlich war es um diese Zeit verboten, im Mainzer Spessart neue Dörfer zu gründen. Aber es ging wohl doch.

Keine 50 Jahre später wurden im Spessart private Glashütten verboten. Jakobsthal bekam die gleichen Probleme wie Heigenbrücken.

Die Jakobsthaler Mühle

Am unteren Ortsausgang von Jakobsthal liegt die Jakobsthaler Mühle (Fleckenstein-Mühle). Das Inventar soll noch komplett vorhanden sein. Die Frage ist: wie kann solch ein Kulturdenkmal dauerhaft erhalten werden.

Skigebiet bei Jakobsthal

Zwischen Engländer und Jakobsthal liegt das größte Skigebiet des Spessart. Am Wochenende ist bei guten Bedingungen wohl mehr los; unter der Woche laufen die Lifte erst ab 14 Uhr.

Im Sommer gibt es hier artenreiche Wiesen.

Der Engländer bei Jakobsthal

Der Engländer ist ein beliebtes Ausflugslokal oberhalb von Jakobsthal. 1846 ließ es der bayerische König Ludwig I.  erbauen und weihte es auch persönlich ein. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zerstört und später wieder aufgebaut.

Wandervorschläge um Heigenbrücken:

Das archäologische Spessartprojekt hat 2 Kulturwege ausgewiesen: Die erste ist ein schöner Rundweg um Heigenbrücken (ca. 6 km / 6 Informationstafeln). Es gibt 6 Hinweistafeln mit Informationen zu Glashütten, Buntsandstein, Fremdenverkehr. Ein zweiter Weg verläuft von Laufach nach Heigenbrücken (Länge ca. 14 km / ca. 15 Informationstafeln). Egal, von wo aus man startet: man kann mit der Bahn im Stundentakt an den Ausgangpunkt zurückfahren.

In der Nähe: Rothenbuch und das Hafenlohrtal

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