Hessenthal im Spessart

Der Kirchenhügel Hessenthal

Auf dem Hessenthaler Kirchhügel stehen heute 3 Kirchen: die kleine Gnadenkapelle mit dem Gnadenbild, dann die alte Wallfahrtskirche mit dem Echter-Epitaph und schließlich ein Neubau aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts mit bedeutenden Kunstwerken.

Die Kirchen waren ursprünglich mit einem Mauerring umgeben. Dieser diente dem Schutz des Kirchenvermögens und wahrscheinlich auch zur Verteidigung der Bevölkerung. Auf dem mittleren Bild unten ist noch eine zugemauerte Schießscharte zu erkennen. Inzwischen wachsen aus der Außenmauer friedliche Königskerzen.

Die Gnadenkapelle Hessenthal

Im Mittelalter waren Wallfahrten ein bedeutender Wirtschaftszweig. Um eine Wallfahrt aufzubauen, brauchte es wie bei heutigen Neugründungen auch Erfindungsgabe und eine gewisse Anfangsinvestition:
Erfindungsgabe: Es wurde eine Legende erfunden und in Umlauf gebracht: Ein Ritter findet auf wundersame Weise eine Muttergottesstatue in einem Haselstrauch oberhalb von Hessenthal. Die Statue kann – so verbreitete man – Wunder bewirken und habe das auch schon mehrfach getan.
Wir sollten uns den Menschen damals nicht überlegen fühlen. Was früher eine hölzerne Figur gemacht hat, das können heute bei manchen Menschen Globoli oder Plazebos erreichen. Die Menschen glauben daran, aktivieren dadurch ihre Selbstheilungskräfte und werden geheilt. Viel zu viele Menschen sind sogar bereit, an völlig abstruse Geschichten zu glauben: Manche glauben, dass Bill Gates bei Impfungen Menschen einen Chip einpflanzen lässt. Andere glauben, dass es das Corona-Virus gar nicht gibt oder dass die Eliten der Welt Kinder töten und deren Blut trinken.

Anfangsinvestition: Man brauchte nicht nur die Statue, sondern auch eine Kapelle, wo dann auch die Opfergaben und Geldspenden übergeben werden konnten. Selbstverständlich gab es auch Ablässe, die mit einer Spende wesentlich zuverlässiger wirkten als ohne.

In Hessenthal ist das Konzept aufgegangen. Die Wallfahrt florierte, die Kapelle wurde mehrfach neu gebaut – erst am Fundort und später dann am heutigen Platz Auch das Gnadenbild wurde im späten 15. Jahrhundert ausgetauscht. Das ursprüngliche ist verloren gegangen. Wunder konnte aber auch der Nachfolger wirken.
Auch der Bevölkerung profitierte von der Wallfahrt durch Verpflegung und Beherbergung der Pilger und durch den Verkauf von Dingen, die mehr oder weniger mit Wallfahrt zu tun hatten.

Die Wallfahrtskirche Hessenthal

Von der ehemaligen Wallfahrtskirche steht heute im wesentlichen nur der Chor. Der größte Teil des Langhauses wurde abgerissen, um Platz für einen Neubau (siehe unten) zu schaffen.
In der Wallfahrtskirche befindet sich als bedeutendstes Kunstwerk der sogenannte Echter-Epitaph (Grabmal). Dargestellt sind außen die Eltern Peter III. Echter (links) und seine Frau Gertraud (rechts). Zwischen beiden im Halbrund ihre 8 Nachkommen. Dritter von links im Bischofsornat ist Julius Echter (1545–1617), der als Fürstbischof von Würzburg dort u.a. das Juliusspital und die alte Universität erbauen ließ.
Unter Peter III Echter wurde die Hofstätte „am Espelborn“ zu dem bis heute weitgehend unveränderten Wasserschloss Mespelbrunn ausgebaut.

Der Neubau / Anbau der Wallfahrtskirche Hessenthal

Der Neubau aus den 50er Jahren des Letzten Jahrhunderts wird dominiert von einer Kreuzigungsgruppe des Mainzer Bildhauers Hans Backoffen. Direkt gegenüber dem Eingang etwas im Schatten steht ein Altar mit einem Frühwerk Tilman Riemenschneiders. Ob das Werk tatsächlich von ihm stammt, ist allerdings umstritten.

Verblüffende Ähnlichkeiten gibt es zwischen den Wallfahrtsorten Hessenthal und Kälberau. Beidemal wurde im 14. Jhd. in einem Busch eine Marienfigur gefunden, die Wunder bewirken konnte. Es entwickelte sich eine in jeder Hinsicht erfolgreiche Wallfahrt. Die Kapellen mit dem Gnadenbild wurden zu Wehrkirchen ausgebaut. In den 1950er Jahren wurden die vorhandenen Kirchen durch eine moderne Erweiterung ergänzt.